Ein Rettungsassistent, der auf geringfügiger Basis beschäftigt ist, muss bei gleicher Tätigkeit auch die gleiche Vergütung wie Vollzeit- oder Teilzeitrettungsassistenten bekommen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 18. Januar 2023 (5AZR 108/22). Joachim Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Peiner Kanzlei Meyer & Westerbecke, erläutert die Hintergründe.
In vielen Bereichen unterstützen Minijobber als Aushilfen die Voll- oder Teilzeitbeschäftigten in Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Häufig werden diese aber schlechter bezahlt", weiß Joachim Meyer. „Das liegt oftmals daran, dass geringfügig Beschäftigte im Vergleich meist nicht die gleiche Arbeitsleistung erbringen oder weniger Berufserfahrung haben." Doch was gilt, wenn ein Arbeitgeber geringfügig Beschäftigte mit gleicher Qualifikation für eine identische Tätigkeit schlechter vergütet als seine Vollzeit- oder Teilzeitkräfte?
GLEICHE ARBEITSLEISTUNG
Im konkreten Fall beschäftigt der Arbeitgeber - ein Rettungsunternehmen - sowohl Minijobber als auch Vollzeit- und Teilzeitkräfte. Alle arbeiten gleichermaßen in der Notfallrettung und führen Krankentransporte und sonstige sanitätsdienstliche Tätigkeiten durch. „Bei der Arbeitsleistung gab es unbestritten keinerlei Unterschiede", verdeutlicht Meyer. Dennoch wurden beide Gruppen im maßgeblichen Zeitraum unterschiedlich bezahlt: Während die Voll- und Teilzeitkräfte für ihre Tätigkeit als sogenannte „Hauptamtliche" 17 Euro brutto pro Stunde erhielten, bekamen die ,,nebenamtlich" Beschäftigten einen Brutto-Stundenlohn von lediglich 12 Euro.
Das sorgte bei einem Rettungsassistenten, der bei seinem Arbeitgeber als geringfügig Beschäftigter, durchschnittlich also ,,Nebenamtlicher", rund 16 Stunden monatlich tätig war, für Unmut: Er zog vor Gericht und klagte auf die zusätzliche Vergütung von 3290 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021, um auf denselben Stundenlohn zu kommen wie seine voll- und teilzeitbeschäftigten Kollegen.
ANDERE ARBEITSZEITGESTALTUNG
"Der Arbeitgeber lieferte als hautsächliche Begründung für den Lohnunterschied, dass er die Voll- und Teilzeitbeschäftigten flexibel zu unterschiedlichen Diensten und Schichten einteilen könne“, erläutert der Peiner Fachanwalt. Das erhöhe die Planungssicherheit und bedeute für ihn einen deutlich geringeren Planungsaufwand. Dagegen könnten die „nebenamtlichen" Kräfte, in der Regel Minijobber, ihre Einsätze selbst wählen und planen. „Die Vorteile, in der Arbeitszeitgestaltung frei und flexibel zu sein, begründeten aus Sicht des Arbeitgebers den geringeren Lohn."
KEINE UNTERSCHIEDE
Das Gericht hingegen sah das anders und urteilte, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, dem Rettungsassistenten ebenfalls 17 Euro brutto die Stunde zu zahlen. Schließlich sei dies die übliche Vergütung, die der Arbeitgeber seinen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmenden gewähre. Denn die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung benachteilige den Sanitäter, der im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig ist, entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne sachlichen Grund.
SACHLICHE GRÜNDE
,,Nach Paragraf 4 Absatz 1 des Teilzeitbeschäftigungsgesetzes dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmende wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte", betont Meyer. Es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigten eine unterschiedliche Behandlung. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten seien aber gleich qualifiziert und übten die gleiche Tätigkeit aus, stellte das BAG fest.
Der vom Arbeitgeber pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten überzeugte die Erfurter Richter nicht. Es sei nicht erkennbar, dass der Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung" und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen wirklich signifikant höher ist. Auch die Argumentation des Arbeitgebers hinsichtlich einer besseren Planungssicherheit bei der Einteilung der Voll- und Teilzeitkräfte überzeugte das Gericht nicht.
KEINE RECHTFERTIGUNG
Das BAG verwies darauf, dass der Arbeitgeber durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten möglicherweise mehr Planungssicherheit habe, da er ihnen einseitig Schichten zuweisen kann. Dennoch sei er dabei nicht frei, sondern unterliege unter anderem den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bildeten insoweit die Einsatzreserve.
„Völlig unerheblich in Bezug auf eine unterschiedliche Vergütung war für das Gericht auch, dass diese ihre Arbeitszeit frei gestalten können“, ergänzt Meyer. Denn diese Personengruppe habe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang einen Anspruch darauf, die gewünschten Dienste zugeteilt zu bekommen. „Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertige in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen", sagt er abschließend.