Mit dem jüngsten Urteil des Bundesarbeitsgerichtes steht fest: Mitarbeiter eines Unternehmens sind auch weiterhin verpflichtet, ihrem Arbeitgeber Überstunden zu belegen. „Die pauschale Angabe, Überstunden gemacht zu haben, hat im Streitfall keine rechtliche Grundlage“, betont Meyer. Auch wenn das Arbeitsgericht Emden in erster Instanz noch der Klage eines Arbeitnehmers stattgegeben und den Arbeitgeber zur Zahlung der Überstunden verurteilt hatte, da dieser kein Zeiterfassungssystem eingeführt hatte.
UNBERÜCKSICHTIGTE PAUSEN
Vor Gericht geklagt hatte der Auslieferungsfahrer eines Einzelhandelsunternehmens, das die tägliche Arbeitszeit jeweils zu Beginn und zum Ende des Arbeitstages mithilfe einer technischen Zeitaufzeichnung erfasste, die Pausenzeiten aber nicht berücksichtigte. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses 2019 ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 5.222,67 Euro brutto verlangt.
Doch während der Kläger sagte, er habe die gesamte Zeit gearbeitet, behauptete der Arbeitgeber, es müssten noch diverse Stunden für Essen- und Raucherpausen von dem Positivsaldo abgezogen werden. Dieses bestritt der Arbeitnehmer, denn er habe aufgrund der Auftragslage durchgearbeitet und gar keine Pausen nehmen können, da sonst die Auslieferungen nicht abgearbeitet hätten werden können. Stattdessen habe er während der Fahrt gegessen oder zwischendurch bei Be- und Entladen des Fahrzeugs geraucht.
IN DER BEWEISPFLICHT
Das Bundesarbeitsgericht entschied letztendlich, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, dem Fahrer die geforderte Überstundenvergütung zu zahlen, womit es das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen bestätigte. Das Gericht habe richtig erkannt, dass auch vor dem Hintergrund der besagten EuGH-Entscheidung zur Zeiterfassungspflicht nicht von den bisherigen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast abzurücken sei. Danach müsse weiterhin der Arbeitnehmer die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung von Überstunden weiterhin entsprechend darlegen und beweisen.
In der Begründung hieß es: „Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.“
RISIKO BEGRENZEN
"Arbeitnehmer, die die Bezahlung von Überstunden gerichtlich geltend machen wollen, müssen daher auch zukünftig im Einzelnen vortragen, an welchen Tagen sie von wann bis wann gearbeitet haben und welche Zeiten Überstunden waren“, erläutert Meyer. Dabei reiche es allerdings nicht aus, wenn der Arbeitnehmer abgezeichnete Stundenzettel oder elektronische Zeitauswertungen vorlegt. Vielmehr müssten alle Einzelheiten detailliert festgehalten sein. Grundsätzlich bleibe es für Arbeitnehmer demnach natürlich schwierig, nachträglich eine Vergütung von Überstunden geltend zu machen.
„Gleichwohl ist Arbeitgebern dringend zu empfehlen, in ihren Arbeitsverträgen wirksame Klauseln mit Ausschlussfristen zu regeln“, verdeutlicht der Arbeitsrechtler. „Damit kann das Risiko nachträglich geltend gemachter Entgeltansprüche - zum Beispiel auch Zuschläge und mehr - auf wenige Monate begrenzt werden.“